Einblick in die Restaurierung eines Toilettentisches aus dem 18. Jahrhundert
Für die Dauerausstellung im Stiftungshaus werden einige der im Stiftungsvermögen vorhandenen Antiquitäten von dem erfahrenen Augsburger Restaurator Harald Behr mit aufwendigen, traditionsgetreuen Verfahren repariert, restauriert und poliert.
Ein besonderes Schmuckstück stellt ein Toilettentisch („poudreuse“) aus dem späten 18. Jahrhundert dar, welcher mit seinem rautenförmigen Muster sowie den Blumenapplikationen einen besonderen Platz in der Stiftung finden wird.
Harald Behr nahm sich Zeit, die einzelnen von ihm durchgeführten Schritte zu erklären, um auch Laien einen Einblick in sein komplexes Schaffen geben zu können.
Ursprung des Möbels
Der zwischen 1790 und 1800 in Frankreich gebaute Toilettentisch ist auf drei Seiten aufklappbar. Außerdem ist er mit herausnehmbaren Schüben sowie einem Spiegel auf der Rückseite der Mittelklappe ausgestattet.
Die Kommode wurde aus Palisanderholz gefertigt (vmtl. Santos-Palisander). Hölzer mit dieser Bezeichnung gehören zu den ersten überseeischen Holzarten, die wegen ihrer besonderen Farbigkeit importiert wurden. Aufgrund ihres begrenzten Vorkommens und der meist nur schwach dimensionierten Stämme war ihr Preis stets hoch und ihre Verwendung beschränkt. Das verwendete Grundfurnier ist durchgefärbter Ahorn mit stilisiertem Blattwerk aus Palisander und kreuzartig angelegtem Rautenmuster in Ahorn und Ebenholz. Die Kante der Klappe besteht aus einem etwas dunkleren (wohl Rio-Palisander-) Holz.
Das Motiv des Blumenstraußes auf der schönen Kartusche des Mittelmedaillons ist eine typische Darstellung der damaligen Zeit. Hierfür wurden Hölzer in ihrer natürlichen Farbe genutzt. Ein besonderer dreidimensionaler Effekt wird durch den Einsatz der schwarzen Farbe bei den Blütenblättern und die damit verbundene Schattenwirkung erzielt. Um diese Farbe zu erlangen, wurde das Holz in Quarzsand sehr stark erhitzt, bis es versengt war. Weiterhin wurden speziell bei Blütenblättern Ritzungen vorgenommen, die die feinen Adern von Blättern darstellen sollen. Diese Ritzungen wurden dann mit Schwarzlot, einer Art Tusche, ausgefüllt, um sie deutlich zu machen.
In der damaligen Zeit haben verschiedene Gewerke an solch einem Möbelstück mitgearbeitet. Zum einen der Möbelschreiner, der nicht nur für den Bau des Korpus, sondern auch für die Schmuck-Furnierung gesorgt hat. Die Beschläge, inklusive Scharniere, wurden beim Silberschmied oder Gürtler gefertigt und auch das Polieren wurde von speziellen Fachkräften unternommen. Bis Mitte des 19. Jhd. war das Polieren noch ein eigenständiger Beruf.
Vorhandene Beschädigungen
Einige Beschädigungen wurden durch die, wohl in den 80er Jahren ausgeführte, Lackierung mit Nitrolack verursacht. Nitrolack ist eine starre unbewegliche Auflage, die das Holz daran hindert die natürlichen Schwundbewegungen im Sommer und Winter auszuführen. Dadurch entstehen größere und kleinere Schwundrisse, an denen eine Aufwölbung des Furniers erkennbar ist.
Weitere Beschädigungen sind lose und fehlende Furniere, die durch genaues Hinsehen und Abklopfen mit dem Griff des Skalpells zu entdecken sind sowie kleine, fehlende Stücke in der schmuckartig angelegten Kante der Klappen. Lose Stellen sind akustisch vernehmbar, sie klingen hohl.
Als Furnier werden 0,5 bis 8 mm dicke Blätter aus Holz bezeichnet, die durch verschiedene Säge- und Schneideverfahren vom Stamm abgetrennt werden. Das Wort Furnier wurde im 16. Jahrhundert dem französischen fournir ‚bestücken‘‚ beliefern‘ entlehnt. Es bezeichnete den Vorgang, weniger wertvolles Holz mit edleren dünnen Holzblättern zu belegen.
"Durch diese dünnen Scheibchen, ist es bei geschickter Auswahl möglich sehr interessante und dekorative Motive herzustellen. Verschiedene Hölzer haben verschiedene Farben und Maserungen, mit denen es sogar möglich ist, bildhafte Darstellungen auf Holz zu bringen, bei denen die Maserung quasi die Aufgabe übernimmt, die ein Maler mit dem Pinsel unternimmt. Die Natur bietet unendliche Möglichkeiten."
- Harald Behr
Instandsetzungsphase
Sicherung der Risse durch Unterspritzen mit Leim
Um eine weitere Ausdehnung der bereits vorhandenen Risse zu verhindern, werden die Schadstellen mit einem Skalpell leicht angehoben und anschließend mit Knochenleim unterspritzt. Anschließend wird der Leim mit einer Zulage und Schraubzwinge befestigt und verpresst. Um ein Festkleben der Zulage zu verhindern wird eine dünne Folie dazwischengelegt.
Ergänzung fehlender Teilstücke
Die aus etwas dunklerem Palisanderholz bestehende, abgerundete Kante hat schon mehrere Restaurierungen gesehen. Um die fehlenden Teilstücke zu ergänzen, wird ein passendes Palisander-Furnier gewählt. Da die Kante nur minimal aufträgt, reicht ein 2mm dickes Furnier. Dieses wird zunächst an der Bandsäge zugeschnitten und anschließend verleimt.
Für die Verleimung nutzt Herr Behr Knochenleim, der den großen Vorteil hat sich mit den alten Leimresten, die natürlich zwischen Furnier und Trägerholz vorhanden sind, optimal zu verbinden. So kann eine dauerhafte Lackierung erreicht werden und der Zeitraum bis zur nächsten Reparatur auf 90-100 Jahre rausgezögert werden. Der ausgetretene Leim wird daraufhin mit einem feuchten Tuch und warmem Wasser abgewischt.
Durch die Schräge der Kante kann hier keine Schraubzwinge angesetzt werden, deshalb kommt ein Klebeband zum Einsatz. Diese moderne Methode ist flexibel und erzeugt ebenfalls einen ausreichenden Leimdruck.
"Verleimung braucht immer Druck. Würde zwischen zwei Hölzern eine Schicht Leim verbleiben, dann würde der Leim früher oder später bröckelig, bröselig und somit brüchig werden. Das kann wiederum zur Lösung der Verbindung führen. Es muss also mit Druck Holz auf Holz gepresst werden, damit der überschüßige Leim komplett austreten kann und nur in den Poren des Holzes verbleibt."
Lackentfernung
Der nächste, wichtige Schritt ist die Entfernung des Nitrolacks, der bei einer vorherigen Restaurierung eingesetzt wurde. Hierfür wird eine Lösung aus Alkohol und Nitro benutzt, mit der der Lack mühsam gelöst wird. Nachdem hierdurch eine gewisse Tiefe erreicht wurde, kann man die satte Farbe des Holzes sehen, die unter dem Lack verborgen war. Es bleicht nämlich nur der Lack aus, nicht das Holz.
Um 1800 war es sehr beliebt, auch farbige Hölzer einzusetzen. Hierbei wurden auch Farben genutzt, die es so nicht in der Natur gibt, in diesem Fall das Grün. Es gibt zwar olivfarbene Hölzer, allerdings nicht in dieser starken Färbung. Daher kam man auf die Idee, das Furnier in eine grünpigmentierte, wässrige Lösung einzulegen - über Nacht, bis hin zu 48 Stunden - bis die Farbe komplett durch das Furnier gezogen war. Das war wichtig, denn wenn ein Holz nur oberflächlich gefärbt und anschließend geschliffen würde, wäre die Farbe verschwunden.
Wenn man beim Restaurieren nun mit einer mechanischen Schleifmethode vorgehen würde, wären einige dieser Details nicht mehr zu erkennen. Deshalb arbeitet Herr Behr behutsam mit authentischen Materialien. Er nutzt alte Naturleime und -lacke, die auch zur Zeit der Entstehung des Möbels genutzt wurden. Nur um den Nitrolack lösen zu können, muss er auf ein industrielles Lösemittel zurückgreifen, die mit Alkohol abgeschwächte Nitrolösung. Durch einen Wischprozess bringt er den Lack zum Abplatzen. Wichtig ist auch das Tragen einer Schutzmaske sowie das Arbeiten bei offenen Türen und Fenstern.
Glätten
Durch die Feuchtigkeit, die bei der Lackentfernung mit dem Holz in Berührung kommt, stellen sich die Holzfasern leicht auf; die Oberfläche fühlt sich ein bisschen rau an. Während einem Laien die Oberfläche vielleicht glatt vorkommen würde, kann Herr Behr durch seine langjährige Erfahrung genau fühlen, ob das Holz noch angeraut oder schon glatt genug für die nächsten Arbeitsschritte ist. Um die aufstehende Holzfaser zu glätten, nutzt er extrem feines Schleifpapier, welches beim Schleifen kein Staub entstehen lässt. Jegliche Entstehung von Staub würde einen Verlust bedeuten (Staub = Holz).
Anfeuern
Durch die Einwirkung des Nitrolacks über einen längeren Zeitraum entsteht eine gewisse Austrocknung, Spröde im Holz. Um das Holz wieder geschmeidig zu machen sowie die Farbe zu verstärken, wird es nun im Prozess des „Anfeuerns“ mit Leinöl-Firniss (doppelt gekochtes Leinöl) behandelt. Dies versorgt das Holz mit Nährstoffen und verleiht ihm eine gewisse Flexibilität. Außerdem kann man alte Restaurierungen hiermit farblich angleichen.
Das Möbel wird mit der Leinöl-Firniss bestrichen, anschließend wird der Überschuss mit einem saugfähigen Leimtuch abgenommen. Sofort kann man einen großen Unterschied der Sättigung erkennen. Das einzige was nun die Farbe noch leicht verändern wird, ist der bernsteinfarbene Schellack, der dem Möbel noch etwas Wärme bringt.
Polieren
Der letzte Arbeitsschritt ist das Polieren mit Schellack. Schellack ist ein natürlicher Lack, der aus der Ausscheidung der Schildlaus gewonnen wird. Diese Schildlaus ist eine Baumlaus auf einer Maulbeerbaum-Art, weche es vorwiegend in Indonesien und Indien gibt. Dort werden diese Ausscheidungen der Laus geerntet, sortiert, getrocknet und zum Versand fertig gemacht. Das Aussehen gleicht braunen Kartoffelchips. Diese Chips werden für einige Tage in Alkohol aufgelöst, um die Lösung anschließend mit weiterem Alkohol zu verdünnen. Die fertige Lösung bleibt dann vier bis sechs Wochen in einem Kanister stehen, in welchem sich Schmutzpartikel und anteiliges Wachs am Boden absetzen. Der klare Überschuss, der rötlich wie ein alter Sherry aussieht, ist die filtrierte, reine Lösung, die sich zum Polieren eignet.
Um einen seidigschönen, alten Glanz für das Möbel zu erlangen, kommt es sowohl auf die Farbe des Lackes, als auch auf die Poliermethode an. Schellack-Polieren ist der Aufbau vieler hunderter Schichten, die weder mit einem Pinsel noch mit irgendwelchen anderen Methoden (wie Rolle, Schwamm oder was der Maler heute verwenden würde) möglich ist. Schellack kann man nur mit Hilfe eines sogenannten Ballens auftragen, den man selbst anfertigen muss. Der Ballen darf hierbei nicht sackförmig sein, sondern muss unten plangerade sein, um eine möglichst große Auflagefläche zu haben. Dies ermöglicht, dass gleichmäßig eine geringe Menge Lack austreten kann.
Der Ballen wird mit ein bis zwei Spritzern Lack gefüllt. Dies reicht, um zwei bis drei Mal über die Fläche gehen zu können. Um die Oberfläche mit dem Lack nicht zu beschädigen, wird außerdem Polieröl verwendet, durch welches man auch an frisch polierten Flächen weiterarbeiten kann. Das Polieröl muss am Schluss wieder vollständig von der Fläche entfernt werden, da Reste dieses Öls die Fläche grau werden lassen oder zu weißen Ablagerungen in den Poren führen würden.